um Joseph Anton Koch

Barbizon im Licht von Italien

Schon im Rom des 2.V.17.Jhs sind die ursprünglichen Wurzeln der Freilichtmalerei zu suchen. Diese Skizzen, meist Zeichnungen mit Tinte laviert, zeugen von spontanem Arbeiten, sind von Künstlern wie Nicolas Poussin und vor allen von Claude Lorrain. Gerade dessen Naturzeichnungen sind in ihrer Flüchtigkeit und Skizzenhaftigkeit dennoch abgerundete Kompositionen, intendieren in den engen Naturausschnitten räumliche Weite, sind in virtuoser Handschrift, von kraftvollem Ductus. Die Arbeiten muten ungemein modern an, und lassen Fragonard, Corot , Th. Rousseau, aber auch Cézanne ahnen. Claude Lorrain und seine Zeitgenossen sind die eigentlichen Begründer der Pleinairmalerei.

Nach Rom zu reisen, bedeutete für die Künstler um 1800 nicht nur, die klassische Antike zu suchen, sondern auch die originalen Werke ihrer Vorbilder wie von Claude Lorrain zu finden. Sie wandelten in der römischen Campagna auf deren Spuren. Mit ihren Auge waren sie auf der Suche nach der Ideal- und Kunstlandschaft; auf Schritt und Tritt begegneten sie dort den großen Vorfahren.

Anne Claude Thiénon (1772 - 1846), Aquarell, 17 x 20,5 cm, signiert links unten, rückseitig bezeichnet “Das Haus des Claude Lorrain in Rom“

Anne Claude Thiénon (1772 – 1846),
Aquarell, 17 x 20,5 cm, signiert links unten,
rückseitig bezeichnet “Das Haus des Claude Lorrain in Rom“

Als im Jahre 1800 Valenciennes sein Traktat zur Landschaftsmalerei veröffentlicht, verbindet er die Erfahrungen dieser vergangenen Künstlergeneration, baut seine Theorien auf dem Fundament der idealen Landschaft auf und bringt dennoch den Stein ins Rollen. Damit etablierte er die Pleinairskizze als eigenes Genre und Teil der akademischen Ausbildung:

Mit der offiziellen Einführung der „Ölstudie nach der Natur“ und damit der Freilichtmalerei in das künstlerische Studium konnte sich so fern allen akademischen Reglements und Theorie eine neue, sich mehr und mehr verselbständigende Kunstform entwickeln. Vorgehensweise war, „(Studien) sollten vor allem schnell hingeworfene maquettes (Skizzen) sein, um die Natur zu erfassen, wie sie ist.“ Das Wechselspiel von Wind und Wetter, das Einfangen von Atmosphäre galt als herausragendes Ziel.

„Es ist gut, dieselbe Ansicht zu verschiedenen Tageszeiten zu malen und die Unterschiede zu beobachten, die das Licht auf den Formen hervorruft. Die Veränderungen sind so greifbar, daß man Mühe hat, dieselben Objekte wiederzuerkennen..“

Hierin findet man Forderungen formuliert, die von Constable praktiziert, ebenso von Theodore Rousseau, und später sich in den Freiluftübungen der Impressionisten wie eines Monet wiederfinden. Und nicht nur die Vorgehensweise , selbst die Themata des Alltäglichen und Gewöhnlichen finden sich schon bei dem Klassizisten, wenn Valenciennes 1808 schreibt:…

“…selbst im Fall von Regen; denn etwas müssen Sie von ihrem Fenster aus sehen können; was ist gleichgültig. Es mag nur eine Mauer sein, die Sie zum Studieren vorfinden; erinnern Sie sich, daß ich Studien von alten Schornsteinen in Rom gemacht habe. Einmal gefertigt, wurden diese Studien sehr interessant wegen ihrer farbigen Details“

Gerade die Anspruchslosigkeit der Motive und die Schlichtheit des Festgehaltenen sind Charakteristika dieser Studien, das Zusammenspiel von Architektur und Natur in einfacher Formensprache.

Als sich nach der Rückkehr der Bourbonen 1816 die Akademie neu konstituierte, knüpfte man sowohl in der Nomenklatur, wie auch politisch und künstlerisch an die heren Traditionen der Zeit Ludwig XIV an.. Mit der Einrichtung eines Rompreises für das Fach „paysage historique“, wird durch die Verbindung von Landschaftsfach und angesehener historischer Figurenmalerei eine Neudefinition und Neubewertung möglich. Dabei lehnte jene Künstlergeneration weder die Reglements der Akademie ab noch waren sie Verfechter eines militanten Naturalismus; auch versuchten sie nicht, die Erfahrungen ins grosse Atelierbild zu übertragen. Das Freiluft- und Atelierbild wurden exakt unterschieden und beide hatten nebeneinander ihre Daseinsberechtigung. Und gerade durch die Kraft der Ölmalerei erlangt die Skizze neue Selbständigkeit. Der Dialog zwischen beiden Kunstformen konnte beginnen. Damit ist der eigentliche Bruch und das Neue in der Landschaftsmalerei um 1800 zu datieren, geübt im bunten Künstlerleben in Italien.

In den Dokumenten der franz. Akademie in Rom ist die zunehmende Bedeutung dieser Ölstudien dokumentiert. Die Preisträger des neuen Landschaftspreises mussten diese selbstverständlich zur Begutachtung vorlegen. 1821 wird der Preis zum zweiten Mal ausgelobt und Jean-Charles Rémond zuerkannt, den wir als Beispiel herausgreifen wollen. Über seine „Studie nach der Natur in Amalfi“ ist im Oktober 1823 Begriffsbildung und Wertigkeit dieser Skizzen festgehalten, sie wurde in Rom, wie im Pariser Salon ausgestellt. „Man kann von dieser Nachahmung (der Natur) sagen, daß sie fertiger als eine Skizze (esquisse), nicht genug für ein Bild (tableau), aber vor allem weniger getreu als eine nach der Natur gemalte Studie (étude)“ist. Eine Problematik, welche auch seinen Schüler Th. Rousseau, dem sog. „Mitbegründer der Barbizon-Schule“, noch in der Folgezeit beschäftigen wird: fertiges Atelierbild oder nur Skizze.

In Arbeiten Rémonds vom Anfang der 20-er Jahre findet man den Trend der Verschmelzung der traditionsreichen, topographischen Panoramaansichten berühmter Monumente mit den jüngeren Erfahrungen der Freilichtmaler. Nicht mehr akribische Vedutenmalerei, die selbst den „Landkartentouristen“ jenseits der Alpen bekannt waren, sondern die Wahl des sinnfälligen, besonderen Ausschnittes werden nun gewählt: Vorboten, die letztendlich mit Blechen und Corot endgültig die Barrieren zur Freiluftmalerei niederreißen.

Als Rémond 1825/26 nach Paris zurückkehrt und das reiche Erbe klassizistischer Tradition mitbringt, kommt er in einen wahren Schmelztiegel der Pariser Kunstszene. Der Geist der Romantik, die Vorliebe für die niederländische Kunst und das Auftreten der englischen Künstler im Salon von 1824 ist das Begrüßungskomitee für den Romstipendiaten.

Reisebegeistert und auf der Suche nach dem Besonderen unternimmt er die „Tour de France“ der Romantiker, zieht in die Auvergne, die Normandie, 1835-37 in die Schweiz, reist nach Sizilien, und fertigt im Auftrag der Galerie de Minéralogie 1842 Gemälde imposanter Berge an wie des Stromboli, Vesuv und bekannter Schweizer Gletscher. Rémond sucht das „pittoreske“ Motiv oder den poetischen Bildausschnitt. Im Salon zwischen 1814 – 1848 stellt er 50 „paysages pris d’après nature“, hingegen nur 14 „Historische Kompositionen“; sicherlich verkauft er diese gut, kopierte aber auch die Niederländer wie u.a. Berghem, Cuyp, Ruisdahl, Hobbema, aber auch Claude Lorrain, Salvator Rosa (Gutwirth, 193). Etwa zeitgleich erweitert Louis-Etienne Watelet das Vokabular der „historischen Landschaft“ mit Sujets ländlicher Umgebung wie mit Bächen oder Mühlen in Nachfolge von Ruisdael und Hobbema. Auch Rémond nimmt in dem Gemälde „Die Schmiede“ aus dem Jahre 1829 diese Tendenzen auf.

Bildausschnitt aus: Charles Rémond ( 1795 – 1875) „Die Schmiede“ Öl auf Leinwand, 24,5 x 32,5 cm, signiert rechts unten und 1829 datiert

Bildausschnitt aus: Charles Rémond ( 1795 – 1875) „Die Schmiede“
Öl auf Leinwand, 24,5 x 32,5 cm,
signiert rechts unten und 1829 datiert

Wenn Rousseau später verlauten lässt, er habe nichts von seinen akademischen Lehrern mitbekommen, muss doch herausgestrichen werden, dass er sicherlich bei einem der besten Meister seiner Zeit im Fach „Historische Landschaft“ lernte. Studien von 1830 während einer Reise in der Auvergne zeigen deutlich das Vorbild Valenciennes’schen Übungen, fangen jene typischen Panoramen und Nahsichten ein. Sein Biograph schildert diese Zeit als Flucht vor den akademischen Reglements, und doch ist es nichts anderes als das Praktizieren der Freiluftskizze römischer Tradition, das 1828 auch sein Lehrer Rémond in der Auvergne übte.

 

Theodor Rousseau ( 1812–1867) „Abendstimmung über dem Flusstal“ Öl/ Papier/ Lwd. 20 x 32 cm, monogr. links unten und 1849 datiert

Theodor Rousseau ( 1812–1867)
„Abendstimmung über dem Flusstal“
Öl/ Papier/ Lwd. 20 x 32 cm, monogr. links unten und 1849 datiert

Diese Arbeit von Th. Rousseau zeigt in schneller Pinselschrift, spontan auf Papier gesetzt, das unmittelbare, aber auch unverwechselbare einer solchen Ölskizze. Aber auch vermittelt sie den neuen Motivkatalog, der sich seit den 20er Jahren in Italien entwickelt hatte. Unzählige Panoramastudien zeigen unwirtliche Gegenden der Campagna, einzig und allein der Weite der Landschaft verpflichtet. Fern am Horizont Berg- oder Hügelketten, inszeniert wird das Schauspiel des Lichts. Innovativ verbanden die Landschaftsmaler in den 30er und 40er Jahren gerade in den Ölskizzen Neues und Althergebrachtes. Millet rühmt nicht von ungefähr diese frühen Arbeiten wegen ihrer „Frische des Blicks“.

Dass diese Landschaftsstudien, die den Studenten als Arbeitsmaterial dienten wie im Falle von Valenciennes, durchaus ihren Marktwert hatten, bestätigen die Ergebnisse der Nachlaßversteigerungen der Studien von Valenciennes (1819) oder Michallon (1822) (Galassi 66). Diese Ölstudien, auch bei Corot, sind meist auf Papier, aber auch auf Leinwand, Pappe oder Holz, klein, ca. 30 x 50/60 cm, querformatig, und passten in den Deckel des Malkastens, der gleichzeitig als Staffelei fungiert (Galassi 68) und selbst Ingres schickt 1807 während seiner Zeit in Rom selbstbewusst Landschaftsskizzen an den Vater seiner Verlobten und zeigt damit die Stellung der eigenständigen Ölskizze (Galassi, 93f.).

Corot war zwischen Dezember 1825 und Herbst 1828 in Rom und zu seinen Freunden zählten auch Carulle d’Aligny, 1798 – 1871 und Francois-Eduard Bertin. Daß man gerade diese drei Maler immer in einem Atemzug nennt, ist Folge der Pariser Salonbesprechungen der dreißiger Jahre. Die Kunstkritik gruppierte sie als Neuerer der klassizistischen Landschaft zusammen. Sicherlich hatte auch die einzigartige Atmosphäre der römischen Zeit dazu beigetragen, daß man sich zurück in Paris gemeinsam austauschte und so auch der Wohnort d’Alignys in Marlotte bei Barbizon zum Treffpunkt der jungen Landschaftsmaler werden konnte.

Auch das die kleinen „études d’apres nature“ im Salon ausgestellt wurden, aber in der hierarchischen Reihenfolge: Paysage historique . vue – étude, entsprach der Zeit. (Galassi 67f.) So stand die Wiege des „Malens nach der Natur“ eigentlich bei den Klassizisten, die von den Impressionisten doch so vehement verdammt wurden. (Dr. Georg Fresen, Sigrid Brusis)


Der Artikel „Von Rom zu Barbizon“ stammt aus der Feder von Dr. Georg Fresen und Frau Sigrid Brusis (Dumann). Sie finden die komplette Studie in einer PDF.-Datei mit allen Fussnoten und Quellennachweisen:

PDF-Datei „Von Rom zu Barbizon“