um Joseph Anton Koch

Selbstbestimmung und Autonomie

Der Maler am Scheideweg - J. A. Koch

Der Maler am Scheideweg – J. A. Koch

Selbstbestimmung und Autonomie waren die aktuelle Botschaft der Philosophie Kants (* 22. April 1724 in Königsberg; † 12. Februar 1804 ebenda), die von seinen Zeitgenossen als Richtschnur für die Emanzipation des Einzelnen von institutionellen und konventionellen Fesseln begrüsst wurde. War die Autonomie des Willens und der Erkenntnis Gegenstand der „Kritik der praktischen Vernunft“ und der „Kritik der reinen Vernunft“, so proklamierte die „Kritik der Urteilskraft“ die Autonomie der Kunst. Die Kunst hat, nach Kant, keine äussere Funktion zu erfüllen, sondern existiert – wie die Natur – für sich selbst. (1)

Wahrscheinlich am radikalsten formulierten Carstens und Koch ihre Forderung nach künstlerischer Freiheit und Unabhängigkeit von ihren Akademien :

Auf den Verdacht hin, „(…) dass es nur darum zu thun gewesen ist, mir meine Arbeiten auf eine gute Art abzulocken und mich sodann wie jetzt geschieht meinem Schicksale zu überlassen“, erwidert Carstens am 20. Februar 1796 dem Staatsminister von Heinitz zu seiner Entlassung aus der Akademie, „(….) muß ich Euer Excellenz sagen, dass ich nicht der Berliner Akademie, sondern der Menschheit angehöre, die ein Recht hat die höchstmögliche Ausbildung meiner Fähigkeiten von mir zu verlangen; und nie ist es mir in den Sinn gekommen, auch habe ich dieses nicht versprochen, mich für eine Pension die man mir auf einige Jahre zur Ausbildung meines Talents schenkte, auf Zeitlebens zum Leibeigenen einer Akademie zu verdingen“ (2)

Wenn Carstens den Vorstand der Berliner Akademie mit „Hochgebohrener Freiherr, Hochgebietender Herr Staatsminister, Gnädiger Herr“ ansprach, fasste sich J. A. Koch bereits 1791 bedeutend kürzer :

„Meine Herren!“, schrieb er in Stuttgart an seine Vorgesetzten der „Hohen Carlsschule“, „(….) Denn wo auf daß höchste gestiegene Sclaverey alle Thätigkeit der Seele zu Boden stürzt, und sie gegen alle höheren Gefühle so abstumpft, daß bloßer thierischer Instinkt daß traurigste Los meiner übrigen Tage werden müßte, da ruft mich eine höhere Pflicht, die mein eigenes Selbst, meine Ehrenwerten Aeltern von mir fordern. (….) Lebt immerhin wohl, ich bin der ehemalige Koch.“ (3)

Bereits um 1780 war in Rom eine „Deutsche Künstlerkolonie“ entstanden, deren Mittelpunkt der Bayer Reinhart, die Dänen Thorvaldsen und Carstens, der Württemberger Wächter, der Tiroler Koch, und der Hesse Rohden bildeten.

Während seiner Zeit in Meiningen 1786 – 1789 soll Friedrich Schiller, den Johann Christian Reinhart von Leipzig her kannte, ihn zu einer Reise nach Italien bestärkt haben.Mit Unterstützung des Erbprinzen von Coburg-Gotha wurde dann sein Wunsch durch ein Stipendium des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth erfüllt.1789 traf Reinhart in Rom ein. Im Jahr 1801 heiratete er die Italienerin Anna Caffo, Tochter eines römischen Schachtelmalers. 1847 wurde er auf dem Friedhof der Protestanten an der Cestius-Pyramide in Rom beigesetzt. (4)

Asmus Jakob Carstens wurde 1792 mit einer 2jährigen Pension von der Berliner Akademie nach Rom gesandt, brach jedoch 1796 nach Meinungsverschiedenheiten mit der Berliner Akademie. An Lungentuberkulose erkrankt war er auf die Hilfe seiner Freunde Koch und Reinhart angewiesen; er starb bereits 1789 und wurde an der Cestius-Pyramide in Rom begraben.

Georg Friedrich Eberhard Wächter wurde 1773 in die herzogliche Militärakademie (ab 1782 Hohe Carlsschule) in Stuttgart aufgenommen, um dort zum Studium der Jurisprudenz und später der Cameralwissenschaften gezwungen zu werden. Erst 1871 durfte er auf Führsprache seines Onkels, des Diplomaten Baron Eberhard von Wächter, und der Malerprofessoren Guibal und Harper zu den Künstlern übertreten.1784 wurde er aus der Hohen Carlsschule ungnädig entlassen.In Italien wandte er sich im Umgang mit Carstens, Koch, Canova und Fernow in den Jahren 1793 bis 1798 dem Klassizismus zu. Er heiratete 1796 Franziska Bandini und trat für sie zum katholischen Glauben über.1798 zog er mit seiner Familie über Stuttgart nach Wien, um in Rom einer möglichen Einberufung zur Bürgerwehr zu entkommen. Nach Zeiten großer Armut nahmen sich der Buchhändler Johann Friedrich Cotta und der Freiherr Karl Friedrich von Uexküll-Gyllenband seiner an. Eine Rückkehr nach Rom blieb ihm zeitlebens verwehrt, er wurde in Wien jedoch zum geistigen Vater des deutschen Nazarenertums in Rom. (5)

Der Rheinfall - Joseph Anton Koch

Der Rheinfall – Joseph Anton Koch

1791 floh Josef Anton Koch wie bereits neun Jahre vor ihm Schiller aus der Hohen Carlsschule in Stuttgart. Auf seiner Wanderung durch die Schweiz 1792 bis 1794 lernte er durch seinen Freund Uexküll-Gyllenband den englischen Theologen und Sammler Dr. George Nott kennen, der ihm erstmals Zeichnungen abkaufte und ihm ein dreijähriges Stipendium für eine Ausbildung in Italien zur Verfügung stellte.1795 erreichte er Rom und freundete sich mit Carstens an, der ihm die klassische Welt der Mythologie und Literatur eröffnete. Nach Carstens’ Tod bezog er dessen Atelier, lebte von 1800 bis 1803 mit Thorvaldsen in einer Wohn – und Ateliergemeinschaft in der Via Sistina 141, von 1823 bis 1839 wohnte er mit Johann Christian Reinhart im Palazzo Galoppi in der Via del Quirinale 21.1806 heiratete er Cassandra Ranaldi aus Olevano. 1839 wurde J. A. Koch auf dem Campo Santo Teutonico begraben, sein Freund Reinhart verfasst den Text der Grabinschrift. (6)

Johann Martin von Rohden (* 30. Juli 1778 in Kassel; † 9. September 1868 in Rom; seit 1795 mit Unterbrechungen in Rom) gehörte mit Koch und Reinhart zu den ersten deutschen Landschaftsmalern in Rom. Zunächst von diesen beiden beeinflusst, bildete er ab 1810 seinen eigenen nahezu staffagelosen Stil der italienischen Landschaft aus. Sein wiederholtes Thema galt den Wasserfällen von Tivoli. Wie Reinhart und auch Koch heiratete Rohden eine Italienerin, Caterina Coconari, für die er zum Katholizismus konvertierte. Rohden wird zwar nicht im Zusammenhang des ruhenden Pols um Koch, Wächter und Reinhart genannt (7), aber besonders zwischen ihm und Reinhart entwickelte sich eine enge Freundschaft, zumal beide leidenschaftlich der Jagd frönten. (8)

Bertel Thorvaldsen erreichte Rom 1797 als 26jähriger, freundlicher wie auch phlegmatischer Mann, der es durchaus nicht eilig hatte, ans Ziel seiner Reise zu kommen, mit einem 3jährigen Stipendium der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen, das ihm später aufgrund seiner Leistungen um weitere drei Jahre verlängert wurde (9). Im Oktober 1842 kehrte er zum letzen Mal nach Kopenhagen zurück, wo er im darauf folgenden Jahr starb.Thorvaldsen war nicht verheiratet, hinterliess jedoch eine Tochter mit Anna Maria Magnani.

Aus diesen stark vereinfachten Lebensgeschichten ergeben sich für diesen Mittelpunkt des römischen Künstlerkreises, der zum ruhenden Pol für die, im steten Wechsel meist nur für eine kurze Lehrzeit in Rom weilenden Künstler wurde, Gemeinsamkeiten.

Das künstlerische Schaffen in den deutschen Ländern zeigte regionale Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten. Deutschland war kein Zentralstaat, sondern politisch und religiös in eine bunte Palette von grossen, mittleren und zahlreichen kleinen Herrschaften zersplittert.

Die Bedingungen für künstlerisches Schaffen sahen in den republikanischen freien Handelsstädten anders aus als in den absoluten Monarchien Bayerns, Württembergs oder Sachsens. Nationale Kunstzentren wie Paris, London, Kopenhagen oder Rom gab es nicht.

Die Akademien dieser Kunstzentren waren daher auch Anziehungspunkte für angehende Künstler aus den benachbarten deutschen Ländern, so z. B. die Akademie Kopenhagens für Caspar David Friedrich, ein Romantiker nördlich der Alpen, der auch als Pendant zu Joseph Anton Koch, südlich der Alpen, genannt wird.

Strenge Regeln erlaubten den angehenden Künstlern nur geringe Entfaltungsmöglichkeiten in ihren deutschen Akademien. Daher suchte manche starke Begabung wie Joseph Anton Koch oder Eberhard Wächter den eigenen Weg ausserhalb der Akademie und im Ausland, besonders im freiheitlichen Rom, wo Standesunterschiede weniger galten und Angehörige aller deutschsprachigen Länder sich als Deutsche fühlten. Schöpferische Unruhe und ein dynamischer Gestaltungswille war ihnen gemeinsam, der sich in einer freieren Handschrift und häufig im Unvollendeten ihrer Arbeiten äusserte.

Ohne höfische Anbindung lebten die Künstler jedoch oft am Rand der sozialen Armut. Die Unabhängigkeit der Künstler hatte somit auch ihren Preis. Der Bruch mit den alten Akademien und Obrigkeiten führte zwangsläufig zu einer Orientierung am Kunstmarkt.

Die Möglichkeit zu Reisen hatte seit etwa 1780 in Rom eine deutsche Kolonie entstehen lassen. Neben kaiserlichen Gesandten und Würdenträgern suchten auch Adlige und vermögende Bürgerliche in der poesievollen „morbidezza“ (Weichheit) Roms Erholung, Bildung und Abstand zur Enge der deutschen Kleinstaaten.

Durch die zahlreichen Bildungsreisenden blieb das Auskommen der Künstler bis zu den politischen Unruhen der Jahre 1797 – 1799 gesichert.

Napoleons Besatzung brachte den Kirchenstaat an den Rand des finanziellen Ruins. Der Grossteil der Grandtouristen blieb aus, ein Grossteil der alten Familien verlor beträchtlich an Vermögen und an Ankäufe von römischer Seite war kaum zu denken.

Das Ausbleiben dieser zahlungskräftigen Klientel erforderte eine Ausrichtung auf Aufträge aus der Heimat, die oft Kompromisse mit dem Geschmack des Publikums erforderten.

Mit dem Nürnberger Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz standen bereits seit Jahren Reinhart, Dies, Mechau und Gmelin in Verbindung. 1797 vermittelte Reinhart auch seinen Freund Koch an diesen (10).


  1. Vgl. dazu Schoch, Rainer : Rom 1797 – Fluchtpunkt der Freiheit. In : Künstlerleben in Rom. 1992. S. 21.
  2. Ausstellungskatalog der Staatlichen Museen zu Berlin. Asmus Jakob Carstens und Joseph Anton Koch. Zwei Zeitgenossen der Französischen Revolution. Zeichnungen. 1990. S. 21.
    Ebd. S. 23.
  3. http://www.reinhart-gymnasium-hof.de/schule/schulgeschichte/namenspatron.htm (14.10.2006).
  4. Zur Lebensbeschreibung Wächters vgl. Allgemeine / Neue Deutsche Biographie. In : http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/adb/@Generic__CollectionView;cs=default;ts=default (15.10.2006).
  5. Vgl. Ausstellungskatalog des Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg. Carl Philipp Fohr und seine Künstlerfreunde in Rom. 1995. S. 94.
  6. Vgl. dazu Carl Philipp Fohr und seine Künstlerfreunde in Rom. 1995. S. 150 ff.
  7. Vgl. dazu Ausstellungskatalog „Von Füssli bis Menzel“. 1997. S. 86.
  8. Über die Ankunft Thorvaldsens in Rom siehe Schoch, Rainer : Rom 1797 – Fluchtpunkt der Freiheit. In : Künstlerleben in Rom. 1992. S. 17.
  9. Vgl. dazu Ausstellungskatalog „Von Füssli bis Menzel“. 1997. S. 86.