um Joseph Anton Koch

Allegria, Heimatlieder und Saltarello

Die Maler Koch, Dräger und Führich lauschen den Pfifferari vor der Osteria Scozzese (Joseph Führich)

Die Maler Koch, Dräger und Führich lauschen den Pfifferari vor der Osteria Scozzese (Joseph Führich)

Nach beschlossenem Tagwerk, so Ludwig Richter, eilten die Künstler einer Trattoria oder Osteria zu. Eine dieser gern besuchten Osterien hieß „il Tritone“, unweit der Piazza Barberini, wo ein Triton im Bassin das Wasser aus dem Horn bläst. Da man in einer solchen Schenke nur Wein und Brot aber keine Speisen erhielt, wurde unterwegs vom Pizzicarole schnell etwas Schinken, Wurst oder Käse mitgenommen, oder an einer Straßenecke bei einem Kastanienröster die Taschen mit heißen Maroni gefüllt, was dann mit dem vortrefflichen Velletriwein ein bescheidenes Abendessen gab. Dort wurden dann mit Scherz und gutem Humor die Tagesereignisse der Künstlergemeinde, die Arbeiten und sonstige Vorkommnisse, besprochen, und die im Schwange gehenden Kunstansichten ausgesprochen und pro und contra durchgefochten (1).

Ferdinand Flor (* 22. Jänner 1793 in Hamburg; † 1881 in Rom) hatte in einem kleinen Saal des Hauses Via Porta Pinciana 37 auf Anregung der jüngeren Künstler in den 20er Jahren eine zweiwöchentliche Abendgesellschaft eingerichtet. Ludwig Richter nennt hier Carl Philipp Fohr als Veranstalter dieser abendlichen Treffen; aber Fohr war schon 1818 im Tiber ertrunken, sodass es sich bei Richter möglicherweise um eine phonetische Verwechslung handeln kann.

Als Chronist seines Italienaufenthaltes berichtete Ludwig Richter über diese Abende :

„Neben meiner Wohn- und Arbeitsstube war ein kleiner Saal, welcher von ‚Fohr’ auf Anregung der jüngeren Kunstgemeinde alle vierzehn Tage zu einer abendlichen Zusammenkunft eingerichtet wurde, zu einer Allegria, wie Frau Mariuccia [ihre Zimmerwirtin] sagte. Eine lange Tafel in der Mitte und auf derselben ein Fäßchen guten Velletriweins, zwei dreiflammige, römische Lampen und ein Dutzend Stühle waren die ganze Ausrüstung zum Empfang von zwanzig Personen. Ein jeder brachte sich seinen bescheidenen Abendimbiß in Weinblätter eingewickelt mit und zapfte sich nach Bedürfnis seinen Trunk aus der Tonne.“

Thorwaldsen, Veit, Koch und Rohden besuchten öfters diesen Kreis und freuten sich mit den Fröhlichen. Thorwaldsen, seine Zigarre rauchend, sprach wenig, war aber mit dem lebendigsten Anteil bei den Gesprächen und Scherzen und befand sich höchst behaglich. Koch las einigemal aus des Paters Abraham a Sancta Clara „Judas der Erzschelm“ höchst humoristische Partien vor und erregte allgemeines Ergötzen damit. Besonders gut klang sein Vortrag des Nibelungenliedes in der Ursprache, was ihm durch seinen Tiroler Dialekt erleichtert wurde. Das Erhabene, Gewaltige, Große war sein Element, deshalb Sophokles, Äschylus, oder das Buch Hiob seine Lieblinge, die ihn erfaßten und zur Begeisterung fortrissen. Goethe zog ihn weniger an. Mit Hermann und Dorothea war er durchaus nicht zufrieden; „der Hermann sei ein Philister, tue ja nix !“ Ein episches Gedicht müsse „Heroen handeln lasse“ usw.

An solchen Abenden überglänzte Oehmes Talent für komische Darstellung alles andere bei weitem, und wenn er seinen sentimentalen Handwerksburschen, den Bruder Breslauer, die in Dresden erlebten Abenteuer erzählen ließ, oder den Neujahrswunsch eines stotternden, einfältigen Jungen hersagte, oder Ähnliches dieser Art zum besten gab, dann erscholl ein homerisches Gelächter, Thorwaldsen schütterte minutenlang vor recht herzlichem Lachen, und Koch meinte :

„Warum wird der Oehme nicht Schauspieler ? er würde der größte Komiker.“ Seine Bilder liebte Koch nicht besonders; das Zarte, Duftige, manchmal ans Sentimentale Streifende derselben war nicht nach Kochs Geschmack.“ (2)

 

Die Umgebung Roms wurde oft in gemeinschaftlichen Ausritten zu Esel erkundet.

Adolf Zimmermann schilderte seiner Braut Amalie einen solchen Ausritt zu einem Marienfest in einem Gebirgsstädtchen des Albaner Gebirges :

„Man macht solche Touren immer zu Esel“, schrieb er, „ (…) das ist ein Tierchen, das ich sehr schätze. Auch Frauenzimmer bedienen sich bei solchen Gelegenheiten derselben. Über das Marienfest schrieb er : „Das [Marienfest] war eigentlich die Veranlassung der Reise. Alles was nur kann, besonders alle Fremden, reisen zu diesem Tage dorthin. An dem Fest ist nichts als eine katholische Spielerei“, stellte er als Protestant fest, „aber abgesehen davon, daß es religiös sein soll, gewährt es viel Vergnügen. Besonders schön ist die Dekoration der Straßen. Das ganze Pflaster der Stadt wird nämlich mit Blumen belegt, nicht bestreut, sondern man bildet aus den bloßen Blumenblättern, die man dick aufträgt, die schönsten Figuren, so daß das Ganze einem türkischen Teppich gleicht. Unbeschreiblich ist die Pracht, wenn die Sonne diese herrlichen Farben beleuchtet“.(3)

 

Joseph Führich hielt einen großen Eselritt nach Cervara, jenen Felsenhöhlen aus vulkanischem Tuff, aus welchem die Römer ihre Bausteine gehauen hatten, acht Milien vor Rom, in einer Federzeichnung fest.Vom Caffé Merianum ging es jubelnd mit Gesang nach Maria Maggiore zum Tor hinaus.

Johann Karl Baehr, Geschichtsmaler, 1827 – 1828 und 1834 – 1835 in Rom, schrieb dazu :

„Ein Packesel mit Wein und Speise beladen machte den Fahnjunker, zwei Reiter zu Pferd die Ordnungskommission. Wenn jemand heruntergefallen war oder sein fauler Esel sich von der Gesellschaft abgesondert hatte, (…) mußte diese Ordnung halten helfen“, und er vergaß nicht zu erwähnen, daß nach einem kleinen Frühstück in den Steinbrüchen jeder seiner Wege ging um zu zeichnen.(4)

 

Die Frühlingsfeste der Künstler in den Cervaro-Grotten hatten sich aus anfänglich mehr oder weniger spontan improvisierten Picknicks und Trinkgelagen im Grünen immer mehr zu erfindungsreich inszenierten Festen entwickelt. Bei diesen Künstlerfesten handelte es sich um reine Männerfeste; Frauen waren ausdrücklich ausgeschlossen. Das zwanglos Ausgelassene mündete meist in überschwappende Trinkgelage. Den Rückweg nach Rom überließ so mancher seinem wegvertrauten Esel.

Dietrich Wilhelm Lindau (* 19. Juni 1799 in Dresden; † 24. September 1862 in Rom) hatte einen gemeinsamen Ausflug der Künstler zu einem Fest der ländlichen Bevölkerung 1824 in einer Federzeichnung festgehalten.

Ludwig Richter war selbst mit Freunden zu diesem Fest auf dem Monte Testaccio, wo der Saltarello getanzt wurde, gegangen und hatte dieses Bild für die Mitglieder des sächsischen Kunstvereins als Radierung vervielfältigt. In seinen Lebenserinnerungen schrieb er dazu :

„Die Oktoberfreuden zu genießen war ich mit Koch, Wagner, dem Bildhauer Lotsch, von Hempel, Thiele und Oehme nach dem Monte Testaccio gegangen. Unter den alten Ulmen, welche den Hügel umgaben, und vor den geöffneten Kellern hatten sich bereits fröhliche Volksgruppen eingefunden, die sich an dem trefflichen Wein labten, der hier geschenkt wird (…). Nach und nach wurde es lebendiger auf dem Platze. Wagen kamen angefahren, gefüllt und überfüllt mit buntgeputzten Mädchen und Frauen und ihren Männern oder Liebhabern (…). Die Fröhlichkeit wurde lauter. Das helle Lachen der Mädchen, das Zurufen, Singen und Deklarieren der Männer, das Klingen einer Mandoline mit dem Pauken und Rasseln der Tamburins, welche den Saltarello begleiten, alles machte die ‚Allegria’ vollständig. Es ist ein wohltuendes Gefühl, daß bei all solcher römischen Volkslust, trotz Wein und Tanz, trotz des ungezwungensten Verkehrs der Geschlechter untereinander, nicht das mindeste zu bemerken ist, was einer Roheit ähnlich sieht“. (5)

 

Richter war mit Oehme und Wagner (aus Meiningen) mit einem Wagen nach Albano gefahren, um dort am Albaner See und in den Galerien, in Waldwegen, die nach Castel Gandolfo führten, zu zeichnen. Dort stießen noch weitere Künstler zu ihnen und Richter hielt wiederum detailliert fest : „Gleich nach der ersten Woche unseres Aufenthaltes in Albano kamen noch andere Freunde aus Rom, welche ebenfalls in unserer Locanda wohnten; Freund Götzloff zunächst, dann die Brüder Rist aus Stuttgart. Der ältere war Kupferstecher und starb im nächsten Jahre in Rom, der andere Landschaftsmaler. Dann der Landsmann Börner, ein liebenswürdiger und feingebildeter Mann, welcher aber während seines römischen Aufenthaltes fast gänzlich am Arbeiten sich verhindert sah, weil er fortwährend von nervösem Gesichtsschmerz und Schlaflosigkeit geplagt wurde. Da Börner auch weiterhin in der künstlerischen Ausbildung zurückblieb, fing er in Leipzig mit sehr geringen Mitteln ein Kunstgeschäft an, welches er zu hohem Flor brachte.“ (6)

Mit seiner Liebe für Details des täglichen Lebens und ihrer Menschen hielt er weiter fest : „Nach dem Abendessen genossen wir noch den Feierabend, entweder vor dem Städtchen promenierend, oder vor der Haustür sitzend und dem Treiben der Leute zuschauend, welche bei der Abendkühle aus ihren Häusern hervorgekommen waren, Boccia oder Morra spielten und sich auf ihre Weise amüsierten. Am Brunnen gab es viel des Plauderns und Scherzens und helles Lachen der Mädchen und Frauen. Ihre anmutig schönen Bewegungen beim Aufheben der Conca (das schöngeformte, kupferne Wassergefäß) auf den Kopf, das stattliche Einherschreiten mit ihrer Last, welches ebensoviel Vorsicht wie elastisch gleichmäßigen Gang erfordert, ergötzte uns Maler. Kam nun ein hübscher Bursch oder ein spaßiger Alter dazu, so wurde der Schwarm doppelt lebendig, und gellendes Gelächter übertönte bald den Singsang des heimkehrenden Eseltreibers, wie den Chor der Nachtigallen in den Gärten und Büschen, bis endlich das ganze Konzert in dem entsetzlich sentimentalen Geschrei eines Esels seinen Abschluß fand.“, und zeichnete gleichzeitig ein buntfarbiges Bild der beginnenden Romantik.(7)


  1. Richter, Ludwig. 1909. S. 154.
  2. Richter, Ludwig. 1909. S. 163.
  3. Geller, Hans. 1957. S. 57.
  4. Geller, Hans. 1947. S. 58.
  5. Künstlerleben in Rom. 1991. S. 426
  6. Richter, Ludwig. 1909. S. 169.
  7. Richter, Ludwig. 1909. S. 171.