um Joseph Anton Koch

Überwindung des Klassizismus in Frankreich

Um 1840 hatte sich für die französischen Künstler wie für Corot die Werteskala verschoben, im Gegensatz zur lang währenden Italiensehnsucht der Deutschen. Was einst vorbildhaft war, wurde nun als einengend und reaktionär verstanden, die klassizistische Ästhetik und ihr Kunstschaffen war in leeren Formeln erstarrt. Industrialisierung und politische Schlüsselrolle banden die Künstler an Paris.

Durch den Konsens des Klassizismus und seiner Werte, durch die geschlossene Gemeinschaft der Künstler in Rom, trotz internationaler Mitglieder, und Einbindung der Naturstudie in die hierarchischen Strukturen der Malausbildung, war das Innovative der Freiluftmalerei in Rom trotz allem zum Aussterben verurteilt. Erst im neuen Klima und einer landschaftlichen Umgebung fern einer Traditionsüberlastung konnte sich die Landschaftsmalerei ungebunden und frei entfalten.

Es stand nun ein ganzes Land und seine Bürger und Künstler mit neuem Selbstbewusstsein in den Startlöchern und mit dem notwendigen theoretischen Arbeitszeug in der Hand. Gerade, da die Freiluftmalerei fern des Reglements sich entwickeln konnte, führte es später zum “Einstürzen der Barriere zwischen empirischem Studium und synthetischer Komposition”.

Die Freiluftmalerei generell ist nicht das Novum, sondern die Einbindung in ein neues Zwiegespräch der Studie nach der Natur und dem fertigen Bild im Atelier. Ein Sieg über veraltete Regeln der Akademie und routinierte Studioarbeit, und damit Eröffnung ungeahnter Möglichkeiten durch das Übertragen der hohen Ziele der Atelierkunst in die Pleinairmalerei.

Dennoch wird die Tradition der „paysage historique“ weitergeführt von Diaz und Corot, die ihre Landschaften mit mythologischen oder arkadischen Figuren belebten

Narcisse Diaz de le Pena (1807 – 1876) „Nymphen im Park“ Öl auf Holz, 36,5 x 51 cm, signiert und 1865 datiert links unten

Narcisse Diaz de le Pena (1807 – 1876) „Nymphen im Park“
Öl auf Holz, 36,5 x 51 cm, signiert und 1865 datiert links unten

Diese Neuerungen des akademischen Kunstunterrichts und der italienischen Erfahrungen, aber auch die rein technische Neuerung von 1841 mit der Erfindung der Metalltube für die Ölfarben, antworteten auf das gesteigerte Bedürfnis zum Malen en plein air. Mit dem Jahr 1841 war es sogar im Malereibedarfskatalog Utensilien vom „Feldfarbkasten – Boîte de campagne“ den Ölfarben in der Metalltube oder Handbüchern wie von J.B. Thénot, les règles du paysage mises à la portée de toutes les intelligences (Paris 1841)

„Wiedergeben, was man vor sich sieht – dies war in dürren Worten die Faustregel für die Pleinair-Maler, ein Prinzip, das im Wald von Fontainebleau in die Praxis umgesetzt wurde“

Landschaftsmalerei und Barbizon, meist ist im 19. Jh. mit dem einem schon das andere intendiert: kurz die „Wiederentdeckung der Natur“. Dieses kleine Dorf mit dem später berühmten Gasthof, aber auch Chailly oder Marlotte waren Treffpunkt der Maler. Künstler, die sich regelmäßig in Barbizon trafen, erhielten schnell den Spitznamen “peint à-Ganne“, oder der „Groupe de Marlotte“ mit Caruelle d’Aligny, Corot, Diaz, Barye, Brascassat, Rousseau und Decamps

Camille Flers ( 1802 – 1868) „Fischer mit ihrem Nachen am Fluss“, Öl/Lwd., 30 x 46 cm, signiert links unten und 1840 datiert

Camille Flers ( 1802 – 1868) „Fischer mit ihrem Nachen am Fluss“,
Öl/Lwd., 30 x 46 cm, signiert links unten und 1840 datiert

Fest etabliert hat sich der Begriff der sog. „Schule von Barbizon“, 1890 erstmalig von dem englischen Autor und Kunsthändler David Croal Thomson in seinem Buch „The Barbizon School of Painters“ geprägt..

Wer jedoch exakt zu diesen Malern zu rechnen war, ist schwer einzugrenzen. Eine umfassende Sammlung und Würdigung der mannigfaltigen Künstlerpersönlichkeiten ist in dem Band „ Die Maler der Schule von Barbizon“, 2002 erschienen. Denn sicherlich ist der Begriff „Schule“ mehr Verabredung denn kunsthistorische Terminologie.

Wie das Jahrhundert selbst beinhaltet der Begriff Vielschichtigkeit, zeugt von ungeheurem Facettenreichtum individuellen künstlerischen Schaffens. Gemeinsam ist jenen Künstlern Pioniergeist in einer Zeit der historischen Umwälzungen und Neuanfänge, der Schnittpunkt ist „in der künstlerischen Äußerung, Motivwahl, Maltechnik und Experimentierlust, das Netz gegenseitiger Anregung also“ zu finden Das genuine jedoch dieser „Schule von Barbizon“ ist eine

„französische Angelegenheit, eine französische Vision mit einer neuen Haltung hinsichtlich der Beziehung zwischen Kunst und Natur und bezüglich des Lebens von Bauern und Landarbeitern“.

Und Vertreter dieses Zeitgeistes ist er, der Peintre en plein air: er saugt diese mannigfaltigen Strömungen in sich auf.

Bereits mit dieser subjektiven Auswahl, die auch die Wertschätzung mancher Künstler im Karussell des Kunsthandels lange Zeit bestimmte, der darauf folgenden Aufarbeitung in den verschiedensten Ausstellungen und Sekundär Literatur muss man eines jedoch treffend festhalten.

Es dauert ein Jahrhundert, um wie Vincent Pomarède ( Barbizon Katalog, S. 38) zu urteilen und die Wertigkeit des Klassizismus neu zu erfassen. Endlich konnte man fern des geschickten Kampfes der Kunstkritik entdecken, das die Befreiung des Blickes gerade in der Übung der klassizistischen Landschaftsmaler in Italien lag. Wenn in der Salonbesprechung des Jahres 1831 “den Herren Aligny, Corot und Edourd Bertin“ zwar schöne Farbtöne beschieden, aber ihre Malerei als flach und kraftlos beschreiben wird, ist das beredtes Beispiel. Noch viel wird zu forschen und mit neuen Augen zu lesen sein. Aber gerade in den letzten Jahren nehmen sich diesem Thema wunderbare Ausstellungen mit phantastischen Publikationen an.

Die Praxis der Freilichtmalerei der Klassizisten und deren neue Sehweisen sollten zur eigentlichen Revolution der in der Landschaftsmalerei führen, ohne die nie „Barbizon“ oder der Impressionismus möglich gewesen wäre.

Leon Fleury (1804 – 1858) „Italienische Landschaft“, Öl/Lwd. 32,5 x 48,5 cm, signiert rechts unten

Leon Fleury (1804 – 1858) „Italienische Landschaft“,
Öl/Lwd. 32,5 x 48,5 cm, signiert rechts unten

Die Schule von Barbizon“ war jedenfalls dank der genialen Kritiker, die sich für sie einsetzten, zu einem einzigartigen Bestandteil der Malerei zwischen den Landschaftsmalern des 18. Jahrhunderts und den Impressionisten geworden.“

Und nichts scheint aussagekräftiger, wenn Courbet in seinem Atelierbild das Atelier mit der Natur gleichsetzt, das Atelier in die Natur stellt und die Natur ins Atelier holt; damit die Natur und Atelier gleichwertig verbindet, und auf dem Staffeleibild im Atelier wiederum Natur festhält – Relikte der Historienmalerei- und der Akt.

Und wenn man die Gedankenspielerei weiterführt, findet man sich letztendlich im Bild des Impressionisten Charles Angrand „Der Freiluftmaler“, wieder: mit nichts als Farbe, nichts als Natur, das Bildkonzentrat des Staffeleibildes entsprechend der neuen Wertigkeit definiert!

Charles Angrand (1854 – 1926) „ Der Freiluftmaler“ Öl/Lwd. 64 x 53 cm, signiert rechts unten und 1881 datiert

Charles Angrand (1854 – 1926) „ Der Freiluftmaler“
Öl/Lwd. 64 x 53 cm, signiert rechts unten und 1881 datiert

 


Der Artikel „Von Rom zu Barbizon“ stammt aus der Feder von Dr. Georg Fresen und Frau Sigrid Brusis (Dumann). Sie finden die komplette Studie in einer PDF.-Datei mit allen Fussnoten und Quellennachweisen:

PDF-Datei „Von Rom zu Barbizon“